Der Aufholbedarf in den Chefetagen der öffentlich-rechtlichen Institute ist groß: 55 Frauen stehen 866 Männer gegenüber. Bei den Volks- und Landesbanken sieht es nicht besser aus. Rolf Jacoby, Partner im ifp und Leiter des Branchenteams Banken und Bausparkassen, ist mit einem Statement zu diesem Thema in einem aktuellen Artikel des Handelsblatts vertreten.
von Elisabeth Atzler (Handelsblatt)
Bundesweit gibt es derzeit knapp 380 Sparkassen. Zwei davon stechen hervor: Laut einer Erhebung der Analysefirma Barkow Consulting sind die Müritz-Sparkasse und die Sparkasse Uecker-Randow die einzigen öffentlich-rechtlichen Geldhäuser, die nur von Frauen geführt werden. An der Spitze der Müritz-Sparkasse stehen Andrea Perlick und Gabriele Gundlach. Das ist bereits seit 2007 der Fall, wie Sparkassenchefin Perlick sagt. Aus ihrer Sicht ist klar: „Es sollte doch bei der Besetzung einer leitenden Position immer die Person mit der besten Qualifikation und Fach- wie Sozialkompetenz gewählt werden. Da ist doch das Geschlecht egal.“
Die beiden Sparkassen aus Mecklenburg-Vorpommern sind die absolute Ausnahme. In nur rund 50 Sparkassen gehört überhaupt eine Frau dem Vorstand an, so Barkow Consulting. Lediglich 16 Sparkassen haben eine Chefin. Insgesamt zählt Barkow gut 50 Frauen in den Sparkassenvorständen und rund 870 Männer. Das zeigt: Während in der Gesellschaft zunehmend über Gleichberechtigung diskutiert wird, hat sich bei den Sparkassen wenig getan. Der Frauenanteil in den Sparkassenvorständen lag im Jahr 2000 bei 3,4 Prozent und vor sechs Jahren bei 5,1 Prozent. Bis heute ist er Barkow zufolge auf lediglich 5,9 Prozent gestiegen.
Bei Banken generell sind wenig Frauen in Führungspositionen, das gilt für große wie kleine Geldhäuser. Männer verdienen daher im Schnitt auch deutlich mehr als Frauen. Doch bei den Sparkassen ist der Gegensatz besonders deutlich, denn zwei Drittel der Beschäftigten sind Frauen. Bei 150 großen deutschen Finanzunternehmen, die die Personalberatung Willis Towers Watson untersucht hat, lag der Frauenanteil zuletzt bei knapp der Hälfte.
In der deutschen Wirtschaft insgesamt ist es um die Diversität im Spitzenmanagement schlecht bestellt. In den Vorständen von 188 börsennotierten Unternehmen, die die Organisation „Frauen in die Aufsichtsräte“ kürzlich untersucht hat, beträgt der Frauenanteil mittlerweile immerhin fast elf Prozent, er ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.
Anders als bei börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen, die seit Anfang 2016 eine gesetzliche Frauenquote für Aufsichtsräte erfüllen müssen, gibt es bei den Sparkassen derzeit keinen Druck von außen. Auch die von der Bundesregierung geplante Frauenquote für Vorstände großer Unternehmen lässt Sparkassen außen vor. Nur in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern muss künftig ein Mitglied eine Frau sein.
Dabei geht es für Banken und Sparkassen nicht nur um Gleichberechtigung. Die Finanzbranche, die angesichts von Digitalisierung, neuen Wettbewerbern und Negativzinsen vor großen Herausforderungen steht, könnte es durch mehr Frauen in Führungspositionen auch wirtschaftlich besser gehen. Katrin Lumma, Partnerin der Beratungsfirma Zeb, verweist auf Studien, die eindeutig belegten, dass „diverse Teams erfolgreicher, produktiver und vor allem kreativer sind“. Gerade in Zeiten des Wandels, den die Finanzbranche vor sich hat, sind kreative Lösungen umso wichtiger und damit auch Diversität in Führungsteams bedeutsamer.
Die Sparkassen wissen, dass sich etwas ändern muss. Die aktuelle Zahl der Frauen in Vorständen sei viel zu niedrig, konstatiert ihr Lobbyverband DSGV, der selbst 58 Vorstandsfrauen registriert hat. Angesichts der vielen Mitarbeiterinnen sei es „absolut nachvollziehbar und berechtigt, dass Frauen auch in den Vorständen breit repräsentiert sein müssen“, so ein Sprecher.
Rolf Jacoby, Partner der Personalberatung IFP, die häufig von Sparkassen beauftragt wird, sagt zur aktuellen Situation: „Obwohl es erklärter Wille von Trägern und Verwaltungsräten ist, Frauen für die Vorstände zu gewinnen, haben wir bei vielen Ausschreibungen letztlich keine einzige Bewerberin.“ Seiner Ansicht nach könnten Sparkassen deutlich mehr für die Frauenförderung tun. „Wenn es wirklich eine Mission in der gesamten Sparkassen-Organisation wäre, den Anteil von Frauen in Vorständen zu erhöhen, dann könnte sie viel mehr machen“, so Jacoby.
Wandel dürfte sich noch hinziehen
Aus Lummas Sicht liegt das geringe Tempo auch daran, dass männerdominierte Auswahlgremien dazu tendierten, sich auch wieder für Männer zu entscheiden. „Die Auswählenden suchen den Bewerber, der ihnen ähnlich ist“, erklärt sie. „Dieses Prinzip wirkt oft so stark, dass es immer wieder zu soziohomogener Reproduktion kommt und Frauen nicht von den männlichen Gremien ausgewählt werden.“ Letztlich würden nicht andere Typen befördert, sondern ähnliche Personen mit ähnlichen Verhaltensmustern und Kompetenzen.
Birgit Roos, die seit 2012 an der Spitze der Sparkasse Krefeld steht, registriert zumindest erste Veränderungen: „Wenn es um die Besetzung von Vorstandsposten bei Sparkassen geht, bekommen Personalberater meist den Auftrag, auch eine Frau als Kandidatin vorzustellen.“ Das bedeute nicht, dass eine Frau automatisch in den Vorstand einziehe, „aber ich sehe es als Chance für die Kandidatinnen“.
Roos nennt zudem ein strukturelles Problem, an dem Sparkassen arbeiten müssten. „Viele Frauen besetzen Führungspositionen im Privatkundengeschäft, weniger aber im Firmenkundengeschäft oder Controlling und Risikomanagement. Die Erfahrung in diesen Bereichen ist aber in nötig, um Vorstand zu werden.“ Die Finanzaufsicht verlangt entsprechende Kenntnisse, damit sie der Berufung in den Bankvorstand zustimmt. „Die Sparkassen-Organisation muss deshalb möglichst viele Frauen darauf vorbereiten, diesen Weg auch zu gehen“, meint Roos.
Der DSGV verweist ebenfalls darauf, dass Frauen im Kreditgeschäft unterrepräsentiert seien. „Das zu ändern, daran müssen wir mit Nachdruck arbeiten“, heißt es. Es seien gezielte Karrierepfade für Frauen erforderlich, die zwingend über das Kreditgeschäft führten. Der Rheinische Sparkassenverband beispielsweise hat vor drei Jahren ein Mentoringprogramm zur Förderung talentierter Frauen gestartet, um sie so unter anderem sichtbar zu machen.
Umgesetzt werden müssen die Veränderungen letztlich allerdings in den einzelnen Sparkassen. „Entscheidend ist die Personalpolitik vor Ort. Nur dort lässt sich etwas verändern, wenn es nötig ist“, sagt Sparkassenchefin Perlick. Sie betont, dass es der Müritz-Sparkasse wichtig sei, „die geeignete Person für unser Haus zu finden“. Das setze voraus, das Potenzial des Einzelnen zu erkennen und über Jahre zu fördern. „Zudem muss man solch eine Karriere wollen und sich zutrauen – egal ob Mann oder Frau“, so Perlick.
Das gilt auch für die gut 800 Volks- und Raiffeisenbanken, die noch schlechter abschneiden als Sparkassen: Der Frauenanteil in ihren Vorständen beträgt gerade einmal 4,1 Prozent. Vor zehn Jahren waren es bloß 1,5 Prozent. In 90 Prozent der Banken sitzt keine Frau im Vorstand, berichtete der Branchendienst „Finanz-Szene“ kürzlich. Der Lobbyverband BVR gibt sich zerknirscht: „In der Tat entspricht die aktuelle Situation der Besetzung von Vorstandsposten durch Frauen bei Genossenschaftsbanken nicht unseren Vorstellungen in der Finanzgruppe.“ Wie bei den Sparkassen geloben auch die Volksbanken, bei denen knapp 60 Prozent der Beschäftigten Frauen sind, Besserung.
Doch der Wandel in den Vorständen dürfte sich noch hinziehen. Es gebe nicht den einen großen Hebel, meint Beraterin Lumma. Vielmehr sei eine Vielzahl von Instrumenten nötig. Dazu zählt sie beispielsweise breite und divers aufgesetzte Auswahlgremien und die Sichtbarkeit talentierter Frauen. Dass der Anteil von Frauen in Vorständen von Sparkassen und Volksbanken so langsam steigt, führt Lumma auch darauf zurück, dass es für sie keine verbindliche Frauenquote gibt und entsprechend keine große Aufmerksamkeit. Sie verweist auf „Veränderungen, die wir bei Unternehmen sehen, die der Quote unterliegen“.
Keine Frauenquote auf Bundesebene
Obwohl Sparkassen öffentlich-rechtlich organisiert sind, könnte der Bund für sie auch gar keine entsprechenden Vorgaben machen. Das ergibt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, dass der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz beauftragt hat und das dem Handelsblatt vorliegt. Dort heißt es, es spreche viel dafür, dass die Einführung einer Frauenquote für den Vorstand von Sparkassen, deren Träger und somit quasi Eigentümer die Kommunen sind, der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder zuzuordnen sei. Das gelte auch für Landesbanken. Für Genossenschaftsbanken allerdings könnte der Bund demnach aber durchaus Quotenregelungen vorschreiben.
Bayaz sieht hier „auch die Länder in der Pflicht, die Debatte um die Frauenquote auf Bundesebene aufzunehmen, um Landesbanken und große Sparkassen auch an der Spitze diverser aufzustellen“. Das liege auch in ihrem eigenen Interesse. Er fordert, dass gerade Landesbanken und öffentlich-rechtliche Institute wie die Sparkassen „ihrer Vorreiterrolle“ gerecht werden sollten. Der Grünen-Finanzexperte kritisiert, dass nicht nur Sparkassen, sondern auch Landesbanken hinterherhinken – mit aktuell gar keiner Frau im Vorstand. Bei der Landesbank Baden-Württemberg immerhin rückt Stefanie Münz Anfang 2021 in das Spitzengremium auf.
Dabei müssten einige Bundesländer mehr tun als andere. Laut der Untersuchung von Barkow ist bei den Sparkassen in Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg der Frauenanteil in Vorständen besonders niedrig, er liegt bei null bis gerade einmal drei Prozent. Am besten schneidet Mecklenburg-Vorpommern ab mit einem Anteil von fast 40 Prozent – und den einzigen zwei Sparkassen ohne Mann im Vorstand.
Quelle: Handelsblatt, Ausgabe 21. Dezember 2020